Klassik 1785 - 1830
Der Klassiker, lateinisch classicus , war ursprünglich ein römischer Bürger aus der höchsten Steuerklasse, dann, als scriptor classicus, ein Schriftsteller ersten Ranges. Dieser Qualitätsbegriff bekam historische Bedeutung, als die Humanisten der Renaissance die Kunst der griechisch-römischen Antike zum Vorbild erhoben und "klassisch" nannten. Ähnlich bezeichnet nun das Wort jeweils den Zeitraum, in dem einzelne Nationalliteraturen zur höchsten Blüte gelangten. In der deutschen Literatur kommt es nach der heute weniger bekannten mittelhochdeutschen Klassik um 1200 noch einmal um 1800 zu einer jüngeren und darum noch stärker nachwirkenden Klassik. Diese hauptsächlich von Goethe und Schiller getragene Weimarer Klassik verdient ihren Namen nicht nur als eine zweite Gipfelleistung der deutschen Literatur, sondern auch weil sie an das Humanitätsideal und die Kunstauffassung der Renaissance anknüpft und dadurch wie diese mit der Antike in Verbindung steht.
Goethe und Schiller verwenden das Wort "Klassik" hin und wieder, beziehen es aber auf die Antike. Sie bezeichneten sich nie als Klassiker und ihre Werke nie als klassisch. Erst von der Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts werden sie als Klassiker gekennzeichnet.
Die Klassiker erstrebten die Erziehung und Bildung des Menschen zu einer harmonischen, in sich widerspruchsfreien Persönlichkeit. Das Bildungsmittel sollte die Kunst sein. Es wurde ein neuer Begriff der Kunst entwickelt: Nicht mehr die schöpferische Willkür des Kraftgenies der Sturm-und-Drang-Zeit, das sich keinem Gesetz, keiner Regel unterwirft, war das künstlerische Glaubensbekenntnis, sondern das Erkennen und Erfüllen der als zeitlos verstandenen objektiven Gesetze der Kunst. Diese Gesetze erschienen den Klassikern in den Werken der Antike am besten verwirklicht. Goethe und Schiller waren überzeugt, dass die Menschen des klassischen Altertums ihr Leben heiter und glücklich gelebt haben. Zu dieser Harmonie wollten die Klassiker den innerlich zerrissenen Menschen ihrer Zeit mit Hilfe der Kunst führen.
Die Neigung der Klassik zum Typushaften, zu Ordnung und Maß löste die Lyrik der Epoche aus ihrer volkstümlichen Verwurzelung und bewirkte eine Abkehr von der Formfreiheit des Sturm und Drang. Anstelle der Reimstrophen des Liedes und der gefühlsstarken freien Rhythmen der Geniezeit treten antikisierende Formen. Damit kehrt sich die Lyrik von der Urwüchsigkeit der Volksliedtradition ab. Die Grenzen zwischen Vers und Prosa werden wieder scharf gezogen, Sprache wird als künstlerischer Werkstoff behandelt. Themen: Ordnung der menschlichen Gesellschaft, Gesetzlichkeit des Lebens, sittliche Verantwortung des Menschen und geschichts- und kulturphilosophische Betrachtung.